Brett vorm Kopf

Taifun im Schnapsglas

Wenn NGOs wider besseren Wissens den Untergang der Demokratie proklamieren

02.03.2025

„Herr Merz, OMAS GEGEN RECHTS lassen sich nicht einschüchtern!“- so lautet der Titel der Petition, die nur wenige Stunden nach dem Bekanntwerden der „kleinen Anfrage“ „Politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen“ der Union online ging. Wenig überraschend, dass es unter den insgesamt 17 NGOs auf der Unions-Liste diese ist, die für das größte Aufsehen sorgt. Denn was bitte ist schändlicher, als einer Gruppe älterer Frauen an den Karren zu fahren, die gegen Neonazis mobil macht? Da ist moralisch-emotional einfach wesentlich mehr rauszuholen, als bei den anderen Nicht-Regierungs-Organisationen. Die Empörungsmaschinerie läuft auf Hochtouren, das Netz bebt. Die Omas meldeten sich dann auch selbst mit einem empörten und entsetzten Facebook-Post zu Wort. So etwas habe man von der AfD erwartet, aber nicht von der Union. Die Behauptungen „Omas gegen Rechts“ hätten staatliche Fördermittel bekommen, seien unhaltbar und die Union habe wohl keinen Wert auf Recherche gelegt. Der Post hatte eine ziemlich kurze Lebensdauer und ist inzwischen wieder gelöscht. Einen Screenshot findet man hier. Und hier findet man auf Seite 62 den Grund für die Löschung: Die offizielle Bestätigung dafür, dass die „Omas gegen Rechts“ in all dem Trubel wohl vergessen hatten, dass sie während der Ampelregierung insgesamt 23.294,22 EUR vom Staat bekommen haben. 18.294,22 EUR aus dem Bundesfamilienministerium, 5.000 EUR sogar direkt aus dem Kanzleramt.

Fragen über Fragen
Nicht weniger als 551 Fragen über insgesamt 17 gemeinnützige Vereine wurden da auf 32 DIN a4-Seiten zusammengetragen. Im Fokus dieser Fragen stehen NGOs, die alle dem eher linken Spektrum zuzuordnen sind. Von „Correctiv“, der Organisation, die im vergangenen Jahr über das „Remigrations-Treffen“ der AfD berichtet hat bis zu „Foodwatch“. So unterschiedlich sie auch sein mögen, in ihrer Reaktion auf die Unions-Anfrage waren sie sich einig: Merz „rüttele damit an den Grundfesten der Demokratie“ und manche, wie der Bund Naturschutz, fühlten sich gar bedroht. Ja – das Thema sollte ein Aufreger sein. Aber der Unmut sollte sich nicht gegen die Union richten. Denn was die betroffenen Organisationen da seit Tagen aufführen, ist vor allem mal eines: ein großes Kasperle-Theater. Und ein perfektes Beispiel dafür, wie sich Menschen über Social Media instrumentalisieren und vor politische Karren spannen lassen, ohne es zu merken.

Parlamentarischer Alltag
Um das Ganze mal einzuordnen: In der letzten vollen Legislaturperiode 2017 – 2021 wurden von nahezu allen Parteien solche „kleinen Anfragen“ gestellt. Insgesamt waren es nicht weniger als 11.677. Bei etwa 20 Sitzungswochen pro Jahr sind das rund drei dieser Anfragen pro Tag. Nichts steht so sehr für parlamentarischen Alltag wie eine „kleine Anfrage“. Denn ihr Zweck ist es, dem politischen Gegner öffentlichkeitswirksam auf die Füße zu steigen. Wir erinnern uns an die Schlagzeilen über die horrenden Ausgaben der Ampel-Regierung für Friseure, Visagisten und Podcasts? Die Infos stammen aus der Antwort der Regierung auf die „Drucksache 20/9630“ – einer kleinen Anfrage der LINKEN. Oder die Schlagzeile von Anfang Februar, die Bundesregierung plane „heimlich“ eine Aufstockung der Unterstützung der Ukraine? Ursache war die „Drucksache 20/14944“ – eine kleine Anfrage der FDP. Die AfD hat alleine vom 20. bis zum 27. Januar 2025 (vier Wochen vor der Bundestagswahl) acht kleine Anfragen zur Gewaltentwicklung an einzelnen deutschen Bahnhöfen gestellt. Wenn also die Union eine solche stellt, dann stehen auf der Liste natürlich nicht Vereine wie die Tegernseer Tanzlmusi oder die Skatfreunde Sauerland, sondern eben eher linke Organisationen.

Die großen Player 
Dass das Ganze nichts anderes war, als ein ziemlich schlechter PR-Coup der Union, der – meiner persönlichen Meinung nach – in seiner Art eher Handschrift von Alexander Dobrindt als von Friedrich Merz trägt, steht außer Frage. Eine billige Retourkutsche für die „Anti-Merz-Demos“ vor wenigen Wochen, an denen einige der Organisationen auf der Unions-Liste aktiv beteiligt waren. Die Botschaft der Anfrage lautet: „Jetzt weht hier ein anderer Wind. Wir wissen, wer Ihr seid.“ So weit, so stillos. Wären die Adressaten Vereine wie die Bienenfreunde Goldbach, könnte man auch nachvollziehen, wenn die Verantwortlichen sich dadurch unwohl oder sogar bedroht fühlen würden und den Untergang der Demokratie witterten. Aber wir sprechen hier in der Mehrheit von großen, sehr einflussreichen international tätigen NGOs. Auf der Liste der Union stehen vor allem mal Kaliber wie Campact, Attac, PETA, Foodwatch oder Greenpeace. Das sind keine kleinen Vereine mit ein paar ehrenamtlichen Mitgliedern, die von der bösen Politik drangsaliert werden. Das sind gemeinnützige Unternehmen mit Millionenumsätzen, die ganz aktiv ins politische Geschehen eingreifen. Allein die fünf genannten zählen mehr als 740.000 Mitglieder, beschäftigen über 650 Mitarbeiter und machen einen Jahresumsatz von über 403 Millionen Euro. (Campact, Attac, PETA, Foodwatch, Greenpeace). Das sind teilweise international agierende Schlachtschiffe, deren DNA es ist, sich mit den Mächtigen dieser Welt anzulegen. Und die fühlen sich durch eine kleine Anfrage der Union bedroht? Schwer zu glauben.

Tölpelei ausgenutzt
Und weil das so schwer zu glauben ist, hier mal ein kleines Gedankenspiel: Was wäre, wenn diese Organisationen mit ihren eigenen Rechtsabteilungen, Strategie- und PR-Experten die Anfrage der Union als perfektes Vehikel für ihre Zwecke nutzten? Einfach, um dort weiter zu machen, wo sie mit ihren Demos angefangen haben. Nämlich Parteipolitik zu betreiben, indem sie in der Öffentlichkeit das Bild von Friedrich Merz als Nazi in Nadelstreifen zeichnen und ein absolut gängiges parlamentarisches Vorgehen als „Angriff auf die Zivilgesellschaft“ deklarieren. Vielleicht ist die Fassungslosigkeit und das Entsetzen in Wirklichkeit gar nicht so groß, sondern die NGOs verwandeln einfach eine Steilvorlage, die die Union ihnen amateurhaft vor die Füße gestolpert hat. Denn natürlich wissen die Betroffenen ganz genau, dass die Anfrage keinerlei Folgen haben wird, weil sie keine Folgen haben kann. Es gibt in Deutschland klare gesetzliche Regelungen, wie sich NGOs finanzieren dürfen. Ganz ähnlich wie Vereine kommt das Geld aus Spenden, Mitgliedsbeiträgen oder eben anderen, auch staatlichen, Fördertöpfen. Der einzige Unterschied zu Vereinen: NGOs dürfen auch wirtschaftlich tätig sein und damit Geld verdienen. Aber auch sie müssen jedes Jahr einen Jahresabschluss machen und jeden Cent nachweisen. Wo also genau liegt die Bedrohung, wenn die Bücher stimmen? Was soll passieren? Die Antwort lautet: Gar nichts. Und das wissen auch die, die hier den Untergang des Abendlandes ausrufen.

Schaden billigend in Kauf nehmen
Wider besseren Wissens ein Thema zu eskalieren, weil man weiß, dass man mit Trigger-Begriffen wie „rechte Propagandamaschinerie“ bei vielen Menschen einen ganz wunden Punkt trifft, ist das eigentliche verantwortungslose Handeln in dieser ganzen Geschichte. Die Leute glauben zu machen, die neue Regierung werde Zivilrechte aushöhlen und die Meinungsfreiheit unterlaufen, ohne Beweise dafür zu haben, ist das, was unsere Gesellschaft vergiftet. Aber es ist auch ein Beweis dafür, das politische Agitation kein rechts oder links kennt. Die Ziele sind unterschiedlich, die Vorgehensweise ist gleich. Denn auch auf der linken Seite gibt es den automatisierten, digitalen Beißreflex. Da werden dann irgendwelche Links geteilt, es wird zu Protesten aufgerufen, es wird sich moralisch empört. Dass das, was Friedrich Merz und Alexander Dobrindt da unterschrieben haben, schlechter Stil ist und charakterlich tief blicken lässt, ist unwidersprochen. Daraus aber den Niedergang der Demokratie zu konstruieren, ist hintertückisch.

Und wer sich die oben verlinkte Original-Anfrage mal durchliest, anstatt wahllos Posts weiterzuleiten, die ihm weitergeleitet wurden, wird vielleicht sogar feststellen, dass all diese Fragen einfach nur Fragen sind. Und bei manchen von ihnen könnte einem sogar der Gedanke durchs Hirn huschen: „Das würde mich auch interessieren.“

 

...doch unsere Möglichkeiten sind endlich

Dieser Text ist etwas anders als die, die sonst auf dieser Seite zu finden sind. Manchmal geht es eben nicht um Fakten, sondern um Meinung.

28.01.2025

Schwierige Dinge „sine ira et studio“ – „ohne Zorn und Eifer“ – zu betrachten, war das Grundprinzip des römischen Geschichtsschreibers Tacitus. Prinzipiell ein weiser Rat, besonders aber dann, wenn das Thema hochemotional ist. Und was kann noch emotionaler sein als ein Doppelmord an einem 2-jährigen Kind und einem 41-jährigen Helfer am helllichten Tag quasi direkt vor der eigenen Haustür? Meine emotionale Reaktion noch am gleichen Tag war zu 100% deckungsgleich mit der von Friedrich Merz - schwer genug, das festzustellen. "Macht die Grenzen dicht!" Seit der Tat habe ich viel gelesen, viel gehört und gesehen und mich informiert. Und genau deshalb sage ich heute, sine ira et studio, dass ich dabei bleibe: Es muss Schluss sein! Wenn wir diese unkontrollierte Zuwanderung nicht zeitnah auf ein absolutes Minimum beschränken, bricht sie unserer Gesellschaft in nicht allzu ferner Zukunft das Genick. Der Grund dafür sind aber nicht die „schmarotzenden Ausländer", die es sich in unseren Sozialsystemen bequem machen wollen. Das ist rassistischer Bullshit. Der Grund ist unser absolut überfordertes System.

Alle in einen Topf
Wir haben kein Migrationsproblem, wir haben ein Integrationsproblem. Und das haben wir, weil wie keine Strukturen vorhalten, die es uns ermöglichen, denen zu helfen, die wirklich unseren Schutz brauchen, die zu fördern, die sich hier eine Zukunft aufbauen wollen und die konsequent und schnell des Landes zu verweisen, die zu keiner dieser beiden Gruppen gehören. Der deutsche Staat schert seit Jahrzehnten alle Asylbewerber über einen Kamm. Und das heißt: die gleichen Abläufe und Prozesse für 48.000 Asylbewerber im Jahr 2011 und für knapp 400.000 im Jahr 2023. Finde den Fehler. Heute – wie vor 14 Jahren – werden Familien mit Kindern immer noch zusammen mit hochtraumatisierten Kriegsopfern und Kriminellen in den gleichen Unterkünften untergebracht. Dazu kam dann in den letzten Jahren noch eine Gruppe, die es früher nicht gab: junge, alleinstehende Männer, die auf der Flucht blöderweise alles außer ihrem Handy verloren haben und bei denen sich später herausstellt, dass sowohl beim Alter, als auch beim Namen, als auch beim Herkunftsland gelogen wurde. 

Nur nichts ändern...
Und obwohl sich die Zahlen fast verzehnfacht haben, haben wir nichts geändert. Alle Antragssteller müssen durch die gleiche Verwaltungsmühle, alle haben die gleichen Fristen, teilweise sogar die gleichen Sachbearbeiter. Wie bitte soll eine heillos unterbesetzte, nicht-digitalisierte Verwaltung so etwas komplexes wie ein Asylantrag zeitnah bearbeiten und entsprechenden Maßnahmen einleiten, wenn die Bearbeitungszeit für einen stinknormalen Bauantrag aktuell im Schnitt bei sechs bis neun Monaten liegt? Das Ergebnis dieses Desasters sind im besten Fall lange Wartezeiten und im schlimmsten Fall die Täter von Solingen, Mannheim und Aschaffenburg. Allen dreien wurde der Status aberkannt und alle drei sind binnen der gesetzlichen Frist nicht ausgereist. Schon hier muss doch die Frage gestellt werden, wie dysfunktional ein System sein muss, dass stillschweigend davon ausgeht, abgelehnte Asylbewerber würden freiwillig innerhalb von 30 Tagen ausreisen, wenn sie wissen, dass sie nach dem Verstreichen der Frist einen Antrag auf eine verlängerte Duldung stellen können? Und genau das war bei allen Tätern der Fall. Drei Angriffe von drei Menschen, die – rein rechtlich – gar nicht mehr in diesem Land hätten sein dürfen. Viel deutlicher lässt sich der Begriff „absolute Überforderung“ nicht buchstabieren. 

Kaltstart
Als ich klein war, gab es drei große Kataloge, aus denen man bestellen konnte: Neckermann, Quelle und OTTO. Während Otto heute nach Amazon der zweiterfolgreichste Online-Shop Deutschlands ist, spricht von Neckermann – außer bei Reisen – niemand mehr und Quelle dümpelt unbekannt im Internet vor sich hin. Wenn ein System sich nicht den veränderten Gegebenheiten anpasst, kollabiert es. Unser Asylsystem ist wie ein PC, der sich aufgehängt hat: Es läuft auch Hochtouren, kommt aber keinen Zentimeter weiter, weil sich mehrere Funktionen gegenseitig blockieren. Und was tut man in so einem Fall? Wenn selbst „Strg+Alt+Entf“ nicht mehr funktioniert? Richtig: Man macht einen Kaltstart. Runterfahren. Alles auf Null. Ein Vorgehen, von dem Fachleute abraten, weil man nicht weiß, welche Systeme dadurch eventuell in Mitleidenschaft gezogen werden. Aber manchmal ist warten und hoffen, dass sich alles von selbst löst, keine Option mehr. Und das heißt im Falle unseres Asylsystems: Wir nehmen niemanden mehr auf und sorgen dafür, dass die, die hier nicht sein dürfen, das Land binnen kürzester Zeit verlassen. 

Vollkommen egal
Ob das, was Merz fordert, mit EU-Recht vereinbar ist oder nicht, muss uns dabei vollkommen egal sein. Ist es Ungarn doch auch. Oder Polen. Oder Österreich. Alles Länder, die Flüchtlinge gerne zu uns durchwinken, weil sie ihr eigens System entlasten wollen. Aber das geht einfach nicht mehr. Dass ausgerechnet Robert Habeck nach Merz‘ Äußerung aus der Kiste springt und moniert, dass der Plan gegen Gesetze verstoße, ist lupenreine Realsatire. Gerade Habeck sollte sich beim Thema „Äußerungen und Pläne, die gesetzlich nicht umsetzbar sind“ ganz ruhig in die letzte Reihe setzen. Gleiches gilt für alle, die in der Forderung ein „Einreißen der Brandmauer zu AfD“ sehen. Wer nach dem Prinzip vorgeht, Entscheidungen und Anträge davon abhängig zu machen, ob sie dem rechten Gesocks gefallen, der hätte 2024 im Bundestag gegen die Diätenerhöhung stimmen müssen – schließlich war die AfD dafür. 

Pastoraler Klartext
Kurz nachdem die Pastorentochter Angela-„Wir schaffen das“-Merkel 2015 das Bibelzitat „Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid;“ (Matthäus 23,4) politisch umgesetzt hatte, hat sie Gegenwind von oberster Stelle bekommen. Der Bundespräsident hieß damals noch Gauck, war ironischerweise ein ehemaliger Pastor und hatte, im Gegensatz zum aktuellen Amtsträger, inhaltlich etwas zu sagen. Und das tat er ausgerechnet am 40. Jahrestag des „Tag des ausländischen Mitbürgers“ mit den Worten: „Unser Herz ist weit, doch unsere Möglichkeiten sind endlich. Unser Asyl- und Flüchtlingsrecht bemisst sich nicht nach Zahlen, und doch wissen wir unsere Aufnahmekapazität ist begrenzt, auch wenn wir nicht genau wissen, wo die Grenzen liegen.“ Inzwischen ist klar: Diese Grenzen sind längst überschritten.

"Weiter so" geht nicht
Merz‘ Forderung ist weder ausländerfeindlich noch rechtsextrem. Sie ist auch nicht reaktionär. Sie ist noch nicht mal konservativ. Schließlich bedeutet „conservare“ bewahren – den Status Quo beibehalten. Und genau das dürfen wir nicht. Wenn es für Immobilienbesitzer lohnender ist, dem Staat Schrottimmobilien als Asylunterkünfte für horrende Mieten zu Verfügung zu stellen, statt sie zu renovieren und auf dem freien Markt anzubieten, läuft was schief. Wenn Asylsuchende eine Bezahlkarte statt Bargeld bekommen, weil das Geld immer wieder Teil von illegalen Machenschaften ist, läuft was schief. Und wenn in diesem Land Menschen sterben, weil sie von Menschen erstochen werden, die rein rechtlich gar nicht mehr hier sein dürften, muss ein Pflock in den Boden gerammt werden. Die Antwort darauf kann nicht heißen: „Das war Behördenversagen.“ oder „Das muss erst Mal lückenlos aufgeklärt werden.“ Die einzig zielführende Antwort kommt vom Theaterdirektor in Goethes Faust: „Der Worte sind genug gewechselt, Laßt mich auch endlich Taten sehn!“. 
Die Welt befindet sich im Umbruch und die Aufgabe unserer Politik ist es, das Land auf diesen Umbruch vorzubereiten. Auf neue wirtschaftliche Bedrohungen aus dem Westen, auf wieder auferstandene Feinde aus dem Osten und auf immer größer werdende Flüchtlingsströme, die aufgrund von Kriegen und Klimawandel zu uns kommen. Es ist die Aufgabe unserer Politiker, dafür zu sorgen, dass alle Menschen, die zu Recht in diesem Land leben – ob hier geboren oder nicht – dies unversehrt und in Frieden und Freiheit tun. Es ist ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass wir der kommenden Generation ein Land übergeben können, dass ihnen wenigstens annähernd die gleichen Chancen bietet wie uns.
 

Sine ira et studio.

Leider kein Science-Fiction

Wie ein Milliardär versucht, die Demokratie abzuschaffen

04.01.2025

Nach dem Niedergang der UdSSR entwickelte sich in vielen der ehemaligen Blockstaaten ein System der Oligarchen. Sie stießen in das Vakuum, das zwischen dem verschwundenen totalitären und dem noch nicht initiierten demokratischen System entstand. Menschen, die zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle waren und die richtigen Leute kannten, kamen quasi über Nacht zu Reichtum und Macht und konnten – da es so etwas wie Gewaltenteilung, Kontrollbehörden oder neutrale Gerichte nicht gab – schalten und walten wie es ihnen gefiel. Das Ergebnis sind noch heute Länder, in denen sich eine Hand voll Milliardäre auf Kosten der restlichen Bevölkerung bereichern. Eine Geld-Elite, die jede demokratische Regung im Keim erstickt, weil die Demokratie das einzige ist, was sie zu fürchten haben.


Immer, wenn ich etwas über Elon Musk höre, lese oder sehe, muss ich an ein Filmzitat denken. In „Die üblichem Verdächtigen“ von 1995 sagt Kevin Spacey als Roger „Verbal“ Kint: "Der größte Trick, den der Teufel je gebracht hat, war die Welt glauben zu lassen, es gäbe ihn gar nicht." Ganz ähnlich verhält es sich mit Elon Musk. Er lässt sich als Visionär, als Vordenker, als Tech-Genie feiern, dabei ist er das gar nicht. Sicherlich glauben ihm nicht alle, aber zumindest genau, die, die Musk braucht, um weiterhin Milliarde auf Milliarde zu häufen und seine Monopole auszubauen. Wenn man sich sein Vorgehen insgesamt ansieht, könnte man auf die Idee kommen, sein Ziel sei gar nicht "nur" wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Man könnte glauben, es gehe ihm viel eher um Macht. Viel Macht. Vielleicht sogar darum, der mächtigste Mensch der Welt zu werden. Denn ein solcher könnte die Gesellschaft nach seinen Vorstellungen formen. Ohne kleingeistige Demokraten. Ohne Kontrollinstanzen. Aktuell sieht es so aus, als wäre er nicht nur auf dem besten Wege dorthin, sondern hätte auch schon einen guten Teil der Wegstrecke hinter sich. Unterstützt, flankiert und hofiert von Politik, Medien und Wirtschaft.

Elon Blofeld
Wenn man irgendetwas Geniales an Musk finden möchte, dann wohl seine Fähigkeit, Trends zu erahnen und zwei Schritte weiter zu denken, als viele andere. Sich an der weltweit ersten Online-Bank zu beteiligen, als noch keiner darüber nachgedacht hat, ein Unternehmen für private Raumfahrt zu gründen, als es noch als Spinnerei abgetan wurde, auf E-Mobilität zu setzen, als zum Beispiel in Deutschland keine 2.000 Elektroautos unterwegs waren. Dieses Verhalten aber ist keine geniale Strategie. Es ist ein Muster. Ein bewährtes Schema, nach dem Musk vorgeht, weil es ihm bis heute den größtmöglichen Erfolg gebracht hat. Seine Investition in Zukunftstechnologien, seine kruden Ideen vom Leben auf dem Mars würzt er mit einer großen Prise Selbstinszenierung, die ihn immer ein bisschen in die Nähe eines Bond-Bösewichts rückt. Und fertig ist das Narrativ der Visionärs. Des spleenigen Vordenkers. Einer, der scheinbar Dinge tut, die noch keiner gewagt hat. Wenn man diese theatralische Patina aber abträgt, kommt darunter etwas zu Tage, was weder neu noch besonders innovativ ist.

Über 300 Millionen aus dem Nichts
Elon Musk hatte das Glück, zum richtigen Zeitpunkt geboren zu werden, um genau das richtige Alter zu haben, um die große Dotcom-Blase der 90er Jahre in den USA mitzunehmen. Er investiert 1995 2.000 Dollar und gründet mit seinem Bruder das Unternehmen Global Link (später Zip2). Eine Art Suchmaschine für Firmen. Ein Unternehmen, das jahrelang keinen Gewinn abwarf. Aber das war zu dieser Zeit in den USA vollkommen egal. Es herrschte Goldgräberstimmung. Risiko-Kapital gab es an jeder Ecke. Schließlich bedeutete die New Economy, auf die Zukunft zu wetten. Eine Zeit, in der der Börsentrend begann, der heute noch anhält: Unternehmen werden nicht nach ihrem tatsächlichen Erfolg, sondern nach ihrem theoretische Potenzial bewertet. Musk besorgte Fremdkapital und mit diesem Geld stelle er Programmierer ein, die aus dem von ihm geschrieben „Spaghetti-Code“ ein sinnvolles Produkt machten. Dieses Produkt stelle er mehreren Unternehmen als Dienstleistung vor. Eines davon war der Computerhersteller Compaq. Zu Musks Überraschung war dieser aber nicht an dem Produkt interessiert, sondern wollte die ganze Firma kaufen. Plötzlich lagen da 307 Millionen Dollar auf dem Tisch, von denen Musk 22 Millionen bekam. Eine Lehrstunde in Kapitalismus, die er nie vergessen hat.

Abgesetzt und dennoch abkassiert
Er hat damals verstanden, dass es gar nicht so sehr darum geht, Geld zu verdienen, sondern darum, lange genug am Markt zu sein, um die Konkurrenz zu überleben. Seit dem kauft er Anteile an Unternehmen, pumpt Unmengen Fremdkapital hinein und schafft genau diesen Wettbewerbsvorteil. Auf der einen Seite bessere Technik, bessere Mitarbeiter mit innovativeren Ideen und auf der anderen kein Gewinndruck. Wie wichtig das ist, sehen wir später noch. Wenn dann der passende Zeitpunkt gekommen ist, wird verkauft und kassiert. Nach Zip2 kaufte er sich mit 12 Millionen Dollar in die weltweit erste Online-Bank namens x.com ein. Dort wurde er CEO. Aber schon nach wenigen Monaten unter seiner Führung stand das Unternehmen finanziell nicht nur mit dem Rücken an der Wand, sondern hatte auch erhebliche rechtliche Probleme, da es immer wieder zu Online-Betrugsfällen mit x.com-Konten kam. Musk wurde gezwungen, den CEO-Posten aufzugeben. Der Deutsche Peter Thiel übernahm, steuerte das Unternehmen wieder in ruhiges Fahrwasser, änderte den Namen in PayPal und brachte es an die Börse. Kurz darauf wurde es 2002 von ebay aufgekauft. Musk erhielt aus diesem Verkauf 176 Millionen Dollar. Getan dafür hat er gar nichts. Im Gegenteil. Er hat das Unternehmen wirtschaftlich fast über die Klippe geschoben. Spielte aber alles keine Rolle. Musk hatte innerhalb von 7 Jahren aus seinem Startkapital von 2.000 Dollar 198 Millionen gemacht und damit seinen Einsatz fast vereinhunderttausendfacht. 

Gewinnfreie Zone
Kommen wir zurück zum langen Atem, den Musks Vorgehen seinen Unternehmen verschafft. Denn die Jahresergebnisse seiner zwei größten Unternehmen sind nicht wirklich beeindruckend. Die ersten 10 Jahre hat Tesla gar keinen Gewinn gemacht. Das tut der Autobauer erst seit dem Jahr 2017. In Zahlen bedeutet das: Der Gesamtgewinn seit Musks Einstieg 2009 beläuft sich auf 27 Mrd. USD. Allerdings steht dem ein Umsatz von satten 338 Mrd. USD entgegen. Gesund ist anders. Übrigens: Mit Fahrzeugen macht Tesla nur rund 80% seines Umsatzes. 20% sind „andere Dienstleistungen“, wozu unter anderem der Verkauf von CO2-Zertifikaten an andere Autobauer gehört, die ansonsten ihr CO2-Ziel nicht hätten einhalten können. Bei SpaceX ist es noch ein wenig interessanter. Die einzige Sparte, die hier Gewinn macht, ist das Satellitenprogramm Starlink. SpaceX selbst existiert seit dem Jahr 2002. Das erste Mal Umsatz wurde überhaupt erst 2016 gemeldet. Das erste Mal Gewinn 2023: 55 Millionen Dollar. Ein nettes Sümmchen, stünden auf der anderen Seite nicht rund 25 Mrd. Dollar Gesamtumsatz. Der einzige Grund, warum beide Firmen noch existieren, ist die Unmenge an Geld, die Musk jährlich bei Risikoanlegern generiert.

Einmal extrem, bitte
Und weil Musk weiß, dass das Sichern von Macht und Reichtum genauso wichtig ist wie dessen Erwerb, ist er inzwischen in die Politik eingestiegen. Er kauft den Nachrichtendienst Twitter, über den er nachweislich Lügen und Falschinformationen verbreitet und stellt sich an die Seite des Anti-Demokraten Donald Trump. Aber er ist nicht nur in den USA aktiv. Die Welt am Sonntag, die Bild-Zeitung für Intellektuelle, lässt ihn in einem „Gastbeitrag“ darüber schwadronieren, dass die AfD der „der letzte Funken Hoffnung“ für die Bundesrepublik sei, wolle sie nicht in der Bedeutungslosigkeit versinken. Er beschimpft Olaf Scholz als „idiotic fool“, um kurz danach Frank-Walter Steinmeier einen „anti-democratic tyrant!“ zu nennen. Und während er es in Deutschland noch bei Verbalinjurien belässt, wird er in England schon praktisch tätig. Hier hat er der Partei des britischen Nationalisten Nigel Farage eine Spende in Höhe von 100 Mio. Dollar zugesagt. Für alle, die das nicht mehr 100%ig auf dem Schirm haben: Farage war der Politiker, der mit seiner Partei UKIP im Jahr 2015 ins britische Unterhaus einzog, verantwortlich für das Referendum zum Brexit war und dann – nachdem England nach dem Austritt aus der EU vor einem wirtschaftlichen Scherbenhaufen stand – mit dem Satz „Ich will mein Leben zurück“ aus der Partei austrat, seine Ämter niederlegte und verschwand, nur, um jetzt mit einer neuen Partei, aber den gleichen nationalistischen Schwachsinnsparolen wieder aus der Versenkung aufzutauchen.

Bare Münze für Zersetzung
In Trumps Wahlkampf investierte Musk rund 160 Millionen Dollar. Laut dem Forbes-Magazin verdiente er dann innerhalb nur eines Tages – dem Tag der US-Wahl – weil er die „richtigen“ Aktienpakete besaß, nicht weniger als 20,6 Milliarden Dollar. Oder anders: Er hat seinen Einsatz innerhalb von 24 Stunden verzwölftausendfacht. Und nicht nur das. Trump hat ihm durch einen Posten als Leiter des „Department of Efficiency“ Vollzugriff auf die US-Verwaltung gegeben. Was das bedeutet, hat Musk bereits skizziert. Stellenstreichungen in den Behörden, die Streichung von Subventionen, das Abschaffen von wirtschaftlichen Kontrollinstanzen. Oder anders: Musk ist dabei, das Pipi Langstrumpf-Credo für Milliardäre zu legitimieren: „Ich mach mir die Welt wie sie mir gefällt.“ Aufstrebende Unternehmen erhalten keine oder nur noch wenig Förderungen. So hält man sich die Konkurrenz vom Hals. Behörden werden personaltechnisch gestutzt und damit noch uneffektiver gemacht. Wirtschaftliche Kontrollinstanzen haben keine Möglichkeit mehr, Grundlegendes wie Mindestlöhne durchzusetzen oder Kartelle aufzudecken und zu zerschlagen.

Der Club der Milliardäre
Im Februar 2022 nahm der ehemalige Geschäftspartner von Elon Musk, Peter Thiel, ein Video auf, dass als Grußwort zu einer Konferenz geschickt werden sollte. Thiel sprach unter anderem über die Zukunft der Demokratie und des Liberalismus und zog dabei Parallelen zwischen den 1920er Jahren in Deutschland und der Gegenwart der USA: „Der Liberalismus ist erschöpft, man vermutet, dass die Demokratie, was auch immer das heißen mag, erschöpft ist […] Ich glaube nicht länger, dass Freiheit und Demokratie miteinander vereinbar sind.“
 

Brave new world.

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